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11/11/17

Der Karyotyp - Kapitel 5



Aus der Novelle "Der Karyotyp" von Akis Papantonis
übersetzt ins Deutsche von: Eleni Stagkouraki ©


[5]



Das Licht drang in die Wohnung durch die zwei Luken, die zur Straße gingen und durch das Glas an der Tür mit dem marternden verzwickten Schloss. Im Winter wurden die Luken sehr oft von einer dicken Nebelschicht bedeckt, was die Wände dazu brachte, vor Feuchtigkeit zu schwitzen. Ihr Schweiß wurde vor  Kälte zu Eis. Dann zog er üblicherweise sein Bett in die Mitte des Schlafzimmers und presste sich an  den Heizkörper. Um ihn herum befanden sich  ein zu Boden gefallenes Kissen, Handtücher, die er zum Trocknen auf den Heizkörper gelegt hatte  und ebenfalls auf dem Boden liegende oder an der Tür aufgehängte   Kleidung. Im Sommer schwitzten die Wände noch mehr und die Luft in der Wohnung war kaum zu ertragen. Dann machte er die Badetür auf und ließ den Lüftungsventilator an. Seine Kleidung schien gerade aus der Waschmaschine gekommen zu sein.   Doch  er hatte keine Waschmaschine und keinen Fernseher. Er würde das auch niemals kaufen. Die kleine Mikrowelle, die der ehemalige Mieter zurückgelassen hatte, benutzte er jetzt als Nachttisch, um Platz für seine Brille und die kleine Wasserflasche zu haben. Am Eingang gleich hinter der Tür hatte er immer noch all seine Sachen in Kartons und schwarzen Müllsäcken liegen, das heißt genau so, wie sie mit der Spedition angekommen waren. Bücher, CDs, Kassetten, die er ohne Kassettenrekorder kaum hören konnte, und die Münzsammlung. Das zweite Zimmer stand leer, abgesehen von einer krummen Tischlampe und einem gebrauchten Zweiersofa. Da könnte vielleicht auch ein Schreibtisch rein – was allerdings durch das nun permanent gewordene Vorläufigkeitsgefühl niemals geschah. Die ganze Wohnung war von einem tiefgrünen und abgenutzten Teppichboden bedeckt. Er hatte ihn tausendmal gesaugt, fand er aber immer noch Haare und Fingernägel des Vormieters darin. Nach ungefähr einem Jahr hatte ihm ein anderer Grieche vorgeschlagen, in einen Neubau, sogar einen günstigeren  mit Waschmaschine und Fernseher  umzuziehen. Er lehnte das Angebot ohne weiteres ab: „Ich hab’ meinen Käfig“.


Tagein, tagaus schaffte er sich eine Routine, indem er versuchte, das Verstreichen  der Zeit zu ignorieren. Die Pille des Alltags. Er wachte auf, duschte sich schnell, nahm sein Frühstück, wusch das Geschirr des Vortags und ging ins Labor. Er betrat das Gebäude mit seiner Karte ein, grüßte die dunkelhäutige Dame am Eingangsschalter sowie seine Kollegen, die ihm leise und alle zugleich antworteten und fing  mit seinen Experimenten an. Er machte nur Pausen  um auf die Toilette, in den Raum mit den Mäusen oder zum Mittagessen zu gehen. Das Vokabular, das er jeden Tag benutzte, war mehr oder weniger dasselbe. „Ja, ich habe diesen Artikel gelesen“, „Nein, das hab’ ich noch nicht getan“, „Das  klingt ja gut“, „Was hast du Spannendes am Wochenende unternommen?“, Wie geht es deinen Mäusen?“, „Wo ist dies oder jenes zu finden?“, „Lust auf Kaffee?“, „Um wieviel Uhr findet die Vorlesung von  soundso statt?“, „Tee?“, „Leider kann ich heute Abend nicht“, „Was für ein Wetter heute!“, „Nein, heute Abend geht es leider auch nicht“.  Spät am Abend kam er dann nach Hause zurück. Jeden dritten Tag hielt er auf dem Weg nach Hause bei einem Bankomat, um dreißig oder auch zwanzig Pfund, wenn der Bankomat keine Zehnpfundscheine mehr hatte, abzuheben. Er tat dies, indem er mit vorgespielter Heimlichkeit seine PIN eingab. Jeden Freitag kaufte er für die ganze Woche ein und zahlte dabei immer bar.  Das Wesentliche kaufte er bei einem Libanesen ein, der einen kleinen und eher schmutzigen Laden auf der gegenüberliegenden Seite der Straße unterhielt. Er muss dessen  häufigster Kunde gewesen sein. Er kaufte Donuts und Milch für sein Frühstück, Cola light, irgendein fertiges Sandwich, Schokocroissant und gelegentlich eine billige Flasche Wein. Beim Zahlen dachte er jedes Mal an seine Mutter und zwar an ihre täglich abwechselnden n Gerichte, ihre köstlichen Teige, das Olivenöl aus dem Dorf und das Brot, das sie selbst backte. Er dachte daran, wie er die nach Plastik schmeckenden Donuts, die fertigen Sandwiches und das Schäumen der Cola in seinem Magen bevorzugte. Das selbstgemachte Essen hat ihn  (wahrscheinlich) schon immer geekelt. Jetzt kaufte er auch Zigaretten, da er bereits am  allerersten Tag mit dem Rauchen angefangen hatte. Pall Mall. Der Libanese hatte ihm versprochen, ihm aus London eine griechische Zeitung zu bestellen. Das war jedoch nie der Fall.


Jeden Tag versuchte er ernsthaft, sich mit der Stadt vertraut zu machen. Er riskierte es, indem er in Bussen fuhr, deren Ziel und Strecke er nicht kannte. Er stieg ein und grüßte den Fahrer. Er kaufte immer eine einfache Fahrkarte und stand immer für den Fall, dass er aussteigen musste. Mit den Ohrstöpseln in den Ohren musterte er seine Mitfahrer. Er betrachtete ihre Gesichter und versuchte sie sich als Kinder vorzustellen; das jungendliche Paar im hinteren Teil des Busses oder die Vierzigjährige im Anzug  mit dem teuren Regenschirm in der Hand. Bei den älteren stellte er sich Abschiedsszenen vor. Schwarzweißbilder, auf  welchen ihre Verwandten sie auf die Stirn küssten. Gleichzeitig versuchte er sich alle Abbiegungen und Stationen in sein Gedächtnis einzuprägen. Nach einigen Versuchen stellte er fest, dass alle Busse, die an  seinem Haus vorbeifuhren, dieselbe Strecke hatten, die bis auf wenige Abweichungen im Zentrum der Stadt endete. Eine angenehme Enttäuschung. Von dort aus wählte er jedes Mal einen unterschiedlichen Weg  zum Labor.


Alle Rechte der Übersetzung vorbehalten.
 

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